über-gehen

Das Schlosstheater Moers startet eine Projektreihe über das Sterben mit dem Theaterstück „Elefant im Raum“. In der Projektreihe geht es um die Ausgrenzung des Todes aus unserem gesellschaftlichen Leben.

Kritik von Guido Rademachers auf nachtkritik.de:
„Elefant im Raum (UA) – Ein Projekt zum Thema Überleben in Moers“

Berührungs-Angst

Das Thema Tod ließe sich über jeden zweiten Theaterspielplan schreiben. Überall wird gestorben, bei Shakespeare, Schiller – und in den Opern sowieso. Das Schlosstheater Moers setzt sich nicht mit diesen Bühnentoden auseinander. In der Projektreihe „Über/Gehen“ geht es um die Ausgrenzung des Todes aus unserem gesellschaftlichen Leben, um das Abschieben von Schwerkranken, die Veränderung, die Todesnähe bei Menschen auslöst. Mit Theateraufführungen, einer Ausstellung, vielen Lesungen und Vorträgen umkreist das in solchen Projekten zwischen Kunst und sozialem Engagement erfahrene Schlosstheater das Thema.

Grundsätzliches zum Thema Tod

Am Anfang steht die Uraufführung des Stückes „Elefant im Raum“, das auf Interviews mit 19 jungen Leuten basiert, die lebensgefährdend erkrankt waren. „Ich muss einfach stark sein und kämpfen, um diese Krankheit zu besiegen.“ Eine Frau steht auf der Bühne und spricht diese Sätze ins Publikum. „Und ich muss auch stark sein für meine Familie. Weil es für die natürlich verdammt hart ist, was da passiert, zu verarbeiten.“ Katja Stockhausen ist keine Betroffene, sondern Profischauspielerin in Moers. Den ersten Teil des Abends gestaltet sie mit ihrem Kollegen Matthias Heße. Weil es hier nicht um Befindlichkeiten und Einzelschicksale geht, sondern um Grundsätzliches. „Elefant im Raum“ ist ein Stück über Krankheit, Todesnähe und wie unsere Gesellschaft damit umgeht. Medien schlachten rührende Geschichten aus, um Quote zu machen. Doch im normalen Leben ziehen sich Freunde zurück. Und wer in einer Bewerbung schreibt, dass er Krebs hat, bekommt nicht einmal eine Absage.

Auf die Krankheit reduziert

Menschen werden auf ihre Krankheit reduziert. Dagegen will das Schlosstheater Moers mit seiner Projektreihe angehen. In Zusammenarbeit mit Hospizen, Kliniken, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen. Der Titel des Stückes „Elefant im Raum“ zitiert ein englisches Sprichwort. Ein riesiges, unübersehbares Problem wird von allen ignoriert. Es ist ein überraschend witziger Abend heraus gekommen.. Die Schauspieler und zwei junge Frauen, die vor einigen Jahren schwer krank waren, setzen satirische Spitzen. Sie wetteifern darum, wer den größten Tumor hatte und bilden eine schräge Band, „Les Docteurs“, die experimentelle Musik ebenso auf die Schippe nimmt wie das Verhalten mancher Ärzte.

Chance, Leben zu lernen

Immer wieder hält man inne. „Meine Schleimhäute waren ganz kaputt“, erzählt die 20-jährige Lisa Gräf aus Duisburg. „Ich konnte nicht mehr richtig reden. Das war dann so zäh und eklig. Meine Zunge war ganz fies dick. Ich hatte nur noch Matsch im Mund.“ Ihr Ton ist unsentimental, sie will kein Mitleid, berichtet, wie es war. Eben das ist eindrucksvoll. Lisa Gräf hat nie zuvor Theater gespielt. Sie nutzt die Möglichkeit, ganz anders auf ihre Erkrankung zu schauen, die nun schon länger vorbei ist. Und nimmt dabei die Zuschauer mit.

Man spürt eine große Klarheit, ein anderes Bewusstsein dem Leben gegenüber. Andere Betroffene äußern sich in Videoeinspielungen, junge Erwachsene, die jeden Tag genießen, als könnte es der letzte sein. Menschen, die sich nicht treiben lassen, sondern das tun, was ihnen wichtig ist. Krank sein, das wird an diesem beeindruckenden Abend deutlich, ist eine Chance, Leben zu lernen.

Ort: Schlosstheater Moers, Kastell 9, 47441 Moers

Karten: 02841 – 88 34 110
Internet: www.schlosstheater-moers.de

Zum Buch „überGehen – Lebensgrenzen, Todesbilder und Abschiedskultur“ finden Sie weitere Informationen im PDF (110 KB).